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San 09

Handreichung zum Eigenschutz der Einsatzkräfte in der Covid19-Pandemielage beim Einsatz in stationären Einrichtungen

Verfasser: Dr. Uwe Devrient, Landesarzt des DRK-LV Westfalen-Lippe
unter Mitarbeit von Dr. Hasan Sürgit, Dr. Frank Marquardt und Christoph Brodesser,
alle DRK-Landesverband Westfalen-Lippe e.V.


Der Einsatz im unmittelbaren Umgang mit infektiösen Covid19-positiven Patienten bedeutet eine erhöhte Infektionsgefahr für die Einsatzkräfte. Zudem besteht die Gefahr, dass Aufträge übernommen werden, die die geschulte und aus ihrer Ausbildung vorhandene Kompetenz der Einsatzkräfte1) übersteigt.

Diesen Gefahren kann einerseits durch bereits in der Einsatzplanung angelegte Vorsorgemaßnahmen als auch durch geeignete Maßnahmen des Eigenschutzes und der Infektionsprophylaxe im Einsatzverlauf entgegengewirkt werden.

Im Folgenden werden zunächst die allgemeingültigen Maßnahmen des Eigenschutzes und der Infektionsprophylaxe beschreiben, während im zweiten Teil die für den jeweiligen Einsatzbereich geltenden Planungsgrundsätze erörtert werden. In Teil 3 werden beispielhaft Maßnahmen beschrieben, die Einsatzkräften übertragen werden können, ohne dass für sie eine fachliche Überforderungssituation eintritt; schließlich gibt Teil 4 Hinweise auf notwendige Abstimmungs- und Leitungsmaßnahmen.

1 Maßnahmen des Eigenschutzes: PSA und hygienische Abläufe

1.1 Umgang mit der persönlichen Schutzausstattung (PSA)

Die Einsatzkräfte sind im Rahmen ihrer Grundausbildung im Umgang mit ihrer Persönlichen Schutzausrüstung (PSA) ausgebildet worden.

Das An- und Ablegen der Schutzkleidung, ohne Selbstkontamination, ist dabei eine große Herausforderung. Insbesondere das Ablegen der PSA birgt das Risiko der Selbstkontamination und letztlich auch der Kontamination Dritter. Dieses Risiko ist bei Schutzanzügen sehr groß.
Auch in allen medizinischen Berufsgruppen zeigt sich, dass in dieser Lage zusätzliche qualifizierte Unterweisungen und Übungen der Abläufe den Infektionsschutz für Einsatzkräfte und Patienten/zu Betreuende erhöhen.
Ein ständiges Training auch während eines Einsatzes ist daher unabdingbar, um für alle Einsatzkräfte die notwendige Sicherheit im Umgang mit der persönlichen Schutzausstattung zu erhalten.

1.2 Hygieneunterweisung

Neben dem sicheren Anlegen, Tragen und Ablegen der persönlichen Schutzausstattung ist eine auf den Einsatzort oder die Einrichtung, aber auch auf die zu versorgenden Menschen ausgerichtete Unterweisung in den einzuhaltenden Hygienestandards erforderlich - auch wiederholend.

Dabei ist sicherzustellen, dass bei jedem Einsatz folgendes erfolgt:

  • Durchführung von theoretischen und praktischen Schulungen mit Erfolgskontrolle durch eine hygienisch erfahrene Person, auch wiederholend, z.B. jeweils zu Schichtbeginn. Diese Schulungen müssen den gesamten Ablaufprozess von der Übernahme des Patienten über pflegerische Maßnahmen bis zur abschließenden Übergabe beinhalten.
  • Zusätzlich sind Schulungen über die Reanimationsverfahren bei Covid-positiven Patienten sinnvoll.
  • Alle Schutzmaßnahmen müssen den vom RKI vorgegebenen Standards entsprechen (Maske, Schutzkittel mit Bündchen, Schutzbrille).
  • Das eingesetzte Material ist zu Beginn und zu Ende der Schicht zu desinfizieren; soweit Fahrzeuge eingesetzt werden, auch diese.

Die Maßnahmen sind in einem von der zuständigen Gesundheitsbehörde genehmigten Hygieneplan zu beschreiben und die Durchführung ist jeweils zu dokumentieren.

2 Planungsgrundsätze für einzelne Aufgabenfelder im stationären Bereich

2.1 Unterstützung in einer Pflegeeinrichtung

Grundsätzlich ist eine Unterstützung im nicht-pflegerischen und pflegerischen Bereich der Pflegeeinrichtung unter Weisung des vorhandenen Fachpersonals durch Einsatzkräfte des DRK - beispielsweise durch Sanitäter*innen - möglich. Auch Kräfte des Betreuungsdienstes können für diese Aufgaben angeleitet und geschult werden.

Eine auf die jeweilige Einrichtung zugeschnittene Hygieneunterweisung (s.o.) ist dabei zwingend erforderlich.

2.2 Unterstützung in einem Krankenhaus

Grundsätzlich ist eine Unterstützung auch in einem Krankenhaus im nicht-medizinischen und medizinischen Bereich unter Weisung des vorhandenen Fachpersonals möglich.

Auch hier ist eine auf die jeweilige Einrichtung zugeschnittene regelmäßige Hygieneunterweisung (s.o.) zwingend erforderlich.

2.3 Behelfsunterkunft mit dem Charakter von Betreutem Wohnen

Von ihrer allgemeinen Ausbildung her können Einsatzkräfte des DRK beim technischen Aufbau und in der allgemeinen Betreuung (analog den bekannten Einsätzen in der Flüchtlingshilfe) tätig werden (die Unterstützung des DRK endet dabei an der Zimmertür, sh. hierzu auch Nr. 3).

Zu beachten ist:

Die Unterkunft muss angemessen sein. Dies ist zum jetzigen Zeitpunkt z.B. bei Hotels, Jugendherbergen, Schulungsheimen o.ä. gegeben. Zelte kommen für diese Unterbringungsart aus Sicht des DRK nicht in Frage.

Die Hinweise zu einer auf die jeweilige Einrichtung zugeschnittenen regelmäßigen Hygieneunterweisung (s.o.) gelten auch hier. Zu beachten ist, dass das Einhalten der Hygienestandards in behelfsmäßigen Einrichtungen besonderen Augenmerks bedarf, da die Liegenschaften häufig nicht auf die in der Pflege geltenden Hygienestandards ausgerichtet sind. Dies ist besonders auch bei allen hauswirtschaftlichen Arbeiten (z.B. Reinigungsarbeiten) zu beachten!

2.4 Behelfspflegeheim mit Pflegefällen

Von ihrer allgemeinen Ausbildung her können Einsatzkräfte des DRK beim technischen Aufbau und in der allgemeinen Betreuung (analog den bekannten Einsätzen in der Flüchtlingshilfe) tätig werden (die Unterstützung des DRK endet dabei an der Zimmertür der zu pflegenden Person; sh. hierzu auch Nr. 3).

Eine eigenständige pflegerische Versorgung durch Einsatzkräfte kann nicht geleistet werden, da dies nicht dem ihnen in ihrer Ausbildung vermittelten Aufgabenprofil entspricht; die fachlichen Anforderungen einer solchen Tätigkeit können von Einsatzkräften nicht erfüllt werden. Hier ist vielmehr pflegerisches Fachpersonal und eine pflegerische Leitung erforderlich. Alle Maßnahmen und Weisungen müssen dabei durch eine von der jeweiligen WTG-Behörde2) anerkannte Pflegedienstleitung als Verantwortliche Pflegefachkraft verantwortet werden. Dieser sind alle Einsatzkräfte im Einsatz fachlich unterstellt.

Zu beachten ist: die Sicherstellung von ordnungsgemäßer Pflege oder gar die Pflege Covid-Erkrankter stellt selbst an Fachkräfte erhöhte organisatorische und fachliche Anforderungen. Eine selbstständige Übernahme eines solchen Auftrags durch berufsfremde Einsatzkräfte wäre damit fachlich fehlerhaft und fahrlässig!

Auch hier ist eine Hygieneunterweisung, zugeschnitten auf die Einrichtung, jeweils vor Aufnahme des Dienstes erforderlich.

3 Mögliche Aufgaben und Grenzen

Gemessen an ihrer Grundausbildung sind Einsatzkräfte in der Lage, Tätigkeiten aus dem Bereich des Sanitätswesens und des Betreuungsdienstes (soziale Betreuung) durchzuführen. Nicht erwartet werden können Kenntnisse pflegerischer Maßnahmen (inkl. Waschen) und im Umgang mit Lebensmitteln (Verpflegungsdienst als Fachgebiet des Betreuungsdienstes). 3)

Die nachfolgenden Aufzählungen sind beispielhaft zu sehen; die tatsächliche Durchführung ist von den Kenntnissen und dem Ausbildungsstand der einzelnen Einsatzkraft abhängig zu machen. Die Supervisions- und Kontrollfunktion der zuständigen Fachkraft bleibt unberührt.

3.1. Alleinverantwortliche Durchführung folgender Maßnahmen ohne vorherige Anleitung

  • Erheben von Vitalparametern und deren Dokumentation, z. B.
    • Puls
    • Temperatur

3.2. Alleinverantwortliche Durchführung folgender Maßnahmen nach vorheriger Anleitung

  • Blutdruckmessung
  • Sauerstoffsättigung
  • Blutzuckermessung
  • Begleitung von Bewohnerinnen und Bewohnern ohne Mobilitätseinschränkungen (bspw. vom Zimmer in den Speisesaal)
  • Unterstützung von immobilen Bewohnern bei der Nutzung des Rollstuhls (nicht: ein- und aussteigen / umsetzen)
  • Beziehen von Betten
  • Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme von Bewohner OHNE Schluckstörung (Essen anreichen)
  • Desinfektionsmaßnahmen
  • Vorbereiten und Wechseln von Infusionen, wenn Einsatzkraft sicher in der Ausführung ist

3.3. Maßnahmen, die nur mit einer Pflegekraft der Einrichtung gemeinsam und/oder nach deren Anweisung übernommen werden können

  • Handreichungen bei pflegerischen Maßnahmen bei Bewohnern, die zu zweit versorgt werden müssen
  • Unterstützung bei der Körperpflege
  • Unterstützung bei aufwendigen Verbandwechseln

3.4. Grenze: Maßnahmen, die NICHT übernommen werden können

  • Gabe von Medikamenten jeglicher Art (Ausnahme Infusionswechsel s.o.)
  • Anreichen von Essen bei Bewohnern mit Schluckstörungen
  • Maßnahmen unter 3.3., die allein erbracht werden sollen

4 Hinweise für die Vertreter*innen des DRK in behördlichen Krisenstäben und die DRK-Einsatzleitung / den DRK-Einsatzstab

  • Um einen ordnungsgemäßen, das fachliche Leistungsvermögen der Einsatzkräfte nicht überfordernden Einsatz sicherzustellen, sollten die Vertreter des DRK in behördlichen Krisenstäben auf folgendes hinwirken:
    • Zunächst sind die Kapazitäten der Krankenhäuser und Pflegeheime auszuschöpfen und gemäß den vorhandenen Möglichkeiten zu erweitern. Isolationen und fachliche Versorgung sind dort am besten gewährleistet. Auch kann die nichtmedizinische Logistik (Verpflegung, Bettendesinfektion, Wäsche, Medikamentation etc.) angelehnt an eine bestehende Gesundheits- oder Pflegeeinrichtung in aller Regel besser gewährleistet werden als dies bei einem vollständigen Neuaufbau an anderer Stelle möglich wäre.
    • Falls zusätzliche Kapazitäten darüber hinaus dennoch erforderlich sind, sollen weitere Unterstützungsangebote des DRK nur unter strikter Beachtung der Fähigkeiten und Grenzen des DRK und seiner Einsatzkräfte im Komplexen Hilfeleistungssystem gemacht werden. Dabei sind insbesondere die örtlichen Gegebenheiten der lokalen DRK-Gliederung zu berücksichtigen.
  • Die DRK-Einsatzleitung / der DRK-Einsatzstab muss in seiner Personal- und Einsatzplanung berücksichtigen, dass Einsätze im Umfeld von Covid-19-Erkrankungen gerade im stationären Bereich eine hohe psychische Belastung für die Einsatzkräfte mit sich bringen werden. Der im Verhältnis zu sanitätsdienstlichen und rettungsdienstlichen Einsätzen langzeitige Kontakt mit den Patienten und Pflegebedürftigen führt gerade bei Komplikationen zu einer hohen Identifikation der Einsatzkräfte mit den durch sie betreuten Personen. Das Angebot psychosozialer Notfallversorgung für Einsatzkräfte (PSNV-E)4) ist daher unabdingbar und muss für die Einsatzkräfte jederzeit verfügbar sein.
1)
der Begriff „Einsatzkräfte“ bezeichnet in diesem Dokument ehren- oder hauptamtlich Tätige im DRK, die nach Abschluss ihrer Grundausbildung in den Rotkreuzgemeinschaften und insbesondere in Einsatzformationen des DRK (Einsatzeinheiten) tätig sind.
2)
zuständige Behörde nach dem Wohn- und Teilhabegesetz, Heimaufsicht
3)
Quelle: DRK-Landesverband Hessen
4)
Die Bezeichnung PSNV-E entspricht bei den Feuerwehren vielfach der Bezeichnung „Psychosoziale Unterstützung“ (PSU)
schutz_ek-covid19.1586418609.txt.gz · Zuletzt geändert: 2020/04/09 09:50 (Externe Bearbeitung)